2. März 2009

Von Appetithappen und Lifestyle



Manchmal versuche ich, das Leben durch Vanilla-Augen zu sehen. Und ich meine nicht die bornierten, biederen, intoleranten Blicke auf Menschen, die ihre Wünsche ausleben. Denn ein Großteil meiner freien Gedanken dreht sich um BDSM und mein Leben damit. Warum - ganz klar: Ich habe natürlich als professionelle Domina die Pflicht, ganz bei meiner Berufung zu sein. Aber auch in meinen privaten vier Wänden begleitet mich diese Welt.

Nun aber zu den Vanilla-Augen, die diesen geübten Blick auf für BDSM'ler gewohnte Dinge NICHT haben. In letzter Zeit sehe ich viele Menschen des Society-Lebens, die ganz gezielt und ich möchte sagen: normal Fetish-Fashion tragen. Und zwar nicht auf gemütlichen Privat-Partys, als Geburtstags- oder Faschings-Gag oder die ultimative, ach wie verbotene Provokation. Sondern diese Stars und Sternchen tragen Latex und Lack als versierte, extravagante Outfits, werden von unzähligen Paparazzi abgelichtet, erscheinen in vielen Magazinen, Online-Portalen und so weiter und werden so zu einem gewohnten Bild. Bekannte Gesichter in Fetischkleidung. Als Vanilla-Zuschauer bleibt mein Auge erstmal an so einem appetitlichen Eyecatcher hängen. Ich realisiere, dass junge Mädchen, wie zB Rihanna mit so einem Outfit ihre weibliche Stärke demonstrieren, Frauen wie Nicole Scherzinger ihre Kurven nicht enger betonen und Modeikonen wie Victoria Beckham sich nicht stärker vom Durchschnitt abheben könnten. (Versteht mich richtig, ich möchte nicht über den Marktwert, den IQ oder denn Sinn von Berühmtheiten streiten oder diskutieren. Fakt ist: Meine Beispiel-Damen sind hinreichend bekannt und haben eine große Außenwirkung auf Frauen jeden Alters). Was mir dann erstmal nicht in Gedanken kommt, sind professionelle Dominas, bizarre Partys oder dunkle Dungeons. Eher im Gegenteil. Es gibt mir vielleicht einen Anstoß, nicht so schubladenhaft zu denken. Denn mal unter uns: Keiner ist nur Vanilla. Jeder hat seinen Fetisch oder seine ganz spezielle Leidenschaft.

Und nun zurück zu meinen Gedanken als Katherina, die ich bin: Ein kleiner Teil in mir, der ist, wie der verbohrte Nachbar im Schrebergarten, der mokiert sich darüber, dass das ein Ausverkauf ist. Ein Verramschen von den Motiven und typischen Insignien der oft zur Geheimhaltung ihrer Leidenschaften verdammte BDSM-Szene. Aber ein großer Teil in mir, der grüßt diesen meckerigen Nachbar freundlich und fährt fröhlich pfeifend auf seinem Rad einer schönen Zukunft entgegen. Denn ich finde das toll. Mir ist es herzlich egal, ob Victoria Beckham nachts zur Herrin wird (obwohl sie das für ihren Mann eh schon zu sein scheint *lach*) oder nicht, aber ich finde es erfrischend, diese delikaten Stiefel zu sehen. Einfach so. Ich musste auf keine eindeutig fetischlastige Site surfen, hatte kein SM-Magazin in den Händen. Ich bekomme einfach so einen Appetithappen serviert und freue mich, dass so viele Menschen so beharrlich darauf bestehen, dass unsere "schmutzigsten" Wünsche ganz normal und natürlich zu uns gehören, dass so viele Menschen so viel toleranter sind, dass man öffentlich ganz natürlich gewagte Mode tragen kann. Schön. Und eine Entwicklung eines Lifestyles, der nicht nur zwischen klischeehaftem Schattendasein oder belästigender Offenheit wählen muss, die begrüße ich mit offenen Armen. Ganz normal kinky eben.

1 Kommentar:

Jeronimo hat gesagt…

Wow, schön geschrieben. Ich denke aber das es noch eine Zeit dauern wird und jetzt immer noch die Masse der Menschen Schubladendenken bevorzugt. Deine Beispiele treffen auf die high society zu. Dort ist es „in“ wenn man sich abheben kann. Und schließlich wird man nicht dumm angeschaut oder jemand zeigt (negativ) mit einen Finger auf einen. Es ist cool sich abzuheben und die Pressemeute lechzt nach sensationellen Fotos. Die Stars können sich das erlauben.

Aber unsereiner?
Wenn die Menschheit sich nur um sich selber kümmert und andere Sachen wertfrei akzeptieren würde wäre die Welt einfacher. Aber wir sind alle der „verbohrte Nachbar im Schrebergarten“. Leider. Beispiel: Wenn ein Auto mit 50 kmh auf der Landstraße vor uns herfährt schimpfen wir nicht alle über den Opa und wollen ins Lenkrat beißen (ich auch ) Aber die Zeit wird kommen, in der wir in dem Auto sitzen und 50 fahren …
Und wenn du in Latex durch Berlin spazierst, wird man dich auch argäugig beobachten und in Schubladen stecken.
Aber die Zeit wird kommen, in der die Mode verrückter wird. Und wenn die großen Designer Lack und Latex entdecken wird es auch alltagstauglich …

In der fernen Zukunft wie in vielen Science Fiction Filmen zu sehen wird es kommen und normal werden.
Leider denke ich werden wir das nicht erleben. Aber es gibt ja zum Glück die Fetischpartys, wo all die Perversen aus ihren Keller steigen *grins* und unter sich sind